Ich frage mich regelmäßig zum Start der Canyoning-Saison, was kommt wohl in diesem Jahr spannendes in den Schluchten auf mich zu. Canyoning im Jahr 2016 – quo vadis? Wohin geht es? Hier meine persönliche Erfahrung und Meinung:
Eigentlich sollte es im Canyoning keine großen Veränderungen mehr geben. Wenn man regelmäßig die Fortbildungen besucht, ist man auf dem aktuellen Stand. Auch die etablierten Verbände sind an einer Fortentwicklung interessiert und so wurden die Ausbildungen in den vergangenen Jahren immer besser und umfangreicher. Die Regeln für das Führen von Gästen in der Schlucht sind bewährt und wurden anhand von Fehlentwicklungen und Unglücken in den Vergangenen Jahren oft überdacht und angepasst. Reicht das aus?
Führend in diesen Bereichen sind sicher die Landesverbände in Frankreich, der Schweiz und Österreich, die auf eine lange Zeit der kommerziellen Schluchtenführungen zurück blicken können.
Der Tenor ging immer dahin gehend dass die Gruppengröße für jeden Guide gut überschaubar sein muss und die Qualifikation der Guides und Assistenten auf einen hohen Niveau sein soll.
Es gibt nun aber auch weniger renomierte und kleine Verbände die regional wirken und bestrebt sind, die Vorgaben der großen und etablierten Verbände umzusetzen.
Immer wieder ist dabei zu beobachten, dass es bei der Anpassung an regionale Besonderheiten zu Spannungen kommt, die nicht immer nachzuvollziehen sind.
EIn kleines aktuelles Beispiel aus dem Schluchtenalltag in unsere Nähe:
In einer viel begangenen, einfachen Schlucht trafen wir auf einen geschätzten Kollegen, der eine sehr große Gruppe zwischen 15 und 20 Personen führte. Ihm zur Seite gestellt war ein Kollege aus dem europäischen Ausland, der seinem Auftreten nach, noch in der Ausbildung war. Sichtlich war er dem Kollegen keine echte Hilfe, da der erfahrene Guide alles selber handhaben musste.
Der Effekt war derjenige, dass immer mehr Gruppen an dieser Stelle in einen Stau gerieten und eine beträchtliche Wartezeit in Kauf nehmen mussten. Bei einem ordentlichen Guide- und Gastverhältnis, wie es die großen Landesverbände empfehlen und einer gleichwertigen Qualifikation aller beteiligten Guides, kommt es in keinem der mir bekannten Schluchtengebiete zu solchen Verzögerungen.
Wie kann es zu so einem Missverhältnis kommen, obwohl wir in den letzten Jahren trotz einem tragischen Unglück etwas über das Führen auch in einfach Schluchten hätten lernen können?
Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.
Bei der Schilderung und Besprechung der Situation unter Kollegen wurde mir berichtet, dass der Veranstalter der großen Gruppentour für sich eine Sonderregelung bekommen hat, die es ihm ermöglicht über das seit Jahren bewährte Verhältnis auch „schnellqualifizierte“ Assistenten einzusetzen, die nicht über die bisher anerkannten Qualifikationen verfügen.
Doch von wem bekommt man eine solche Sonderregelung oder lässt sich sein Tun legitimieren?
Von einem Verband, den man selber mitgründet, um öffentlichkeitswirksam Regelungen zu bewerben, die dann in solchen Fällen komplett ausgehebelt werden – das wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Jeder Veranstalter und jeder Guide sollte täglich für sich prüfen, ob das was er tut im Sinn seiner eigenen Gesundheit, der Gesundheit und des Wohles seiner Mitarbeiter und vor allem im Sinn der ihm anvertrauten Personen ist.
„Tun wird durch Legitimation nicht besser, wenn es offensichtlich falsch ist !“
Im Endeffekt sollte spätestens der Guide selber entscheiden, ob er eine Tour unter den bestehenden Voraussetzungen und Vorgaben führt, da er eine gewisse Menge der Verantwortung auf sich lädt.
Outdoor Veranstalter oder Agenturen die Canyoning nur bewerben geben Touren an andere Veranstalter ab, erheben Provisionen und beteiligen sich nicht mehr am Risiko.
Canyoning Veranstalter geben dann täglich die Touren an die für sie tätigen Guides ab, wissen aber im Endeffekt nicht, dass sie damit nicht die Verantwortung abgeben. Die Verantwortung für jeden auch noch so schlecht qualifizierten Guide bleibt immer am ausführenden Veranstalter hängen, das zeigen bisher alle Fälle aus der Vergangenheit, die mir bekannt sind.
Jeder muss wissen, wie weit er in dem Kreislauf zwischen Profit und Risiko seine Position findet und dazu kann ich hier nur einen Denkanstoß geben. Nur um Aufträge zu erhalten oder nicht zu verlieren ist eine Reduzierung der Qualität auf Kosten der Sicherheit meiner Ansicht nach nicht zulässig und wird sich eher früher als später in verschiedenen Ausprägungen bemerkbar machen. Der eigenen Gesundheit, der Gesundheit seiner Mitarbeiter oder der Gäste.
Das ist meine persönliche und bescheidene Meinung, die immer wieder zu Anfeindungen anders denkender Unternehmer führt.
Wer es lesen will und darüber nachdenken möchte, kann es tun.
Wer es lesen will und sich persönlich ertappt fühlt kann das tun, muss es aber nicht.
Und wer es liest und gleich wieder vergisst, der hat auch nichts verkehrt gemacht.
Fröhliches nachdenken – und Kommentare werden wie immer auf die üblichen, ethischen Grundmerkmale untersucht, bevor sie veröffentlicht werden könnten.
Ich beschimpfe ja auch niemanden und möchte das umgekehrt genauso haben.
Jonny