Der Autor: Jonny Lovrinovic
Dipl.-Päd. Univ. Jahrgang 71, verheiratet und 2 Kinder
Seit 2003 CEC ausgebildeter Canyoning Guide mit Autorisierungen in Tirol und Vorarlberg
Seit 2003 aktiv im eigenen Unternehmen Private Guidung - Canyoning Team Allgäu als Canyoning- und Raftguide (Allgäu. Österreich, Italien, Schweiz)
- CEC Vorstandsmitglied und organisierende Kraft bei der Überführung in die CIC e.V ( Comission Internationale de Canyon e.V.) mit einst 220 Mitgliedern weltweit, bis Mai 2010
- Gründungsmitglied des Verbands VAO im Allgäu, um aktuelle Probleme gemeinschaftlich zu lösen.
- Vorstand des Vereins Allgäu Outdoor Guides e.V. der 2019 als Gegengewicht zum VAO und echtes Sprachrohr für Guides und Informationsplattform gegründet wurde.
Am 16.9.2022 war ein trauriger Jahrestag für den Canyoning Sport im Allgäu. Der tödliche Unfall einer jungen Frau, die an diesem Tag vor 10 Jahren mit Arbeitskollegen einen spannenden Betriebsausflug erleben wollte, wird durch das Kreuz direkt am Einstieg der ehemaligen Canyoning Tour in Gunzesried täglich in Erinnerung gehalten.
Es ist nun zehn Jahre her, dass mich der Vorgang unfassbar wütend gemacht hat. Und es ist keine drei Wochen her, dass sich die gesamte Wut erneut gezeigt hat, weil scheinbar nichts aus vorhergehenden Unglücken gelernt wurde. Am 03.09.2022 verunglückte eine junge Frau in der Starzlachklamm bei einer geführten Canyoning-Tour und konnte am 04.09.2022 nur noch tot geborgen werden.
Wie konnte es dazu kommen ? Und warum müssen Menschen beim Canyoning sterben?
An dieser Stelle sollen keine Spekulationen niedergeschrieben werden, da im letzten Fall ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in Kempten eingeleitet wurde, dass die fahrlässige Tötung und die fahrlässige Gefährdung der Teilnehmer an den Canyoning Touren im September 2022 gründlich untersuchen soll.
Es werden aber Beobachtungen und Erfahrungen aus den letzten 10 Jahren zu lesen sein, die mehrfach auch öffentlich in der notwendigen Dringlichkeit angemahnt wurden, um ein weiteres Unglück zu verhindern.
Meine Motivation zum Beitrag und meine persönliche Meinung:
Beim Canyoning muss niemand sterben!
Mit dieser Meinung stehe ich sicher nicht alleine da. Die wird sicher auch von allen Menschengeteilt, die sonst überhaupt nicht meiner Meinung sind. Und von denen, die auf jeden Hinweis in den letzten Jahren, dass die Sicherheit in den Schluchten auf der Strecke bleibt, eher empfindlich reagiert haben.
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- In den letzten Jahren habe ich deswegen wiederholt heftige und notwendige Kritik daran geübt, in welche Richtung sich das Canyoning im Allgäu und die Durchführung durch manche Allgäuer Unternehmen und Guides auf den Touren vom Allgäu bis ins Tessin entwickelt. Damit machte ich mir sicher keine Freunde, was mir heute genau so egal wäre wie damals, wenn diese Hinweise gehört und aufgenommen worden wären.
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- Wichtigtuerei und Diskreditierung wurden mir vorgeworfen, die Inhalte wurden aufgrund von persönlichen Befindlichkeiten der Adressaten meiner Kritik nicht vernommen. Obwohl Sie meist sachlich und Lösungsorientiert waren aber natürlich auch zugespitzt und scharf formuliert.
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- Wer glaubt dass ein Blogbeitrag in dieser Art dazu dienen soll Kunden zu werben und auf die Internetseite zu locken, der muss auf einem gänzlich schrägen Pfad unterwegs sein. Jeder der solche Vermutungen hegt, versteht tatsächlich nicht um was es wirklich geht.
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- Das aber viele Menschen diesen Artikel lesen und teilen sollen ist volle Absicht. In einer Gesellschaft in der auch das Freizeitverhalten ein großer Markt ist, muss es erlaubt sein, diesen Markt und seine Akteure auch kritisch zu hinterfragen und Fehler aufzuzeigen. Wenn Fehler nicht mehr gesehen werden, können sie auch nicht korrigiert werden. Auch wenn es weh tut, der eine oder andere wird sich ertappt fühlen.
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- Beobachtung aus den letzten Jahren bei Unternehmen und Guides:
Wird der persönliche und unternehmerische Erfolg in diesem Markt durch die Anzahl der Gäste definiert, die man durch eine Angebot schleust und danach zur Kasse bittet?
Oder ist es die Anzahl der Arbeitstage die man glücklicherweise ohne Unfall hinter sich gebracht hat auch wenn man mehrfach selber über seine eigene Leistungsgrenze und damit sicher über die der Gäste gegangen ist?Mit diesen provokanten Fragen möchte ich auf ungesunde Entwicklungen hindeuten, die in der Folge zum Schlimmsten führen können, was bei einer Freizeitaktivität passieren kann: dem Tod eines Menschen.
- Beobachtung aus den letzten Jahren bei Unternehmen und Guides:
Ich merke gerade, dass mit ein sachlicher Artikel nicht möglich ist und lege erst mal eine Pause ein (22.09.2022.)
Fortsetzung: Mittwoch 22. Februar 2023 und 2. April 2023:
Jonny Lovrinovic
Es sind nun einige Wochen vergangen, in denen ich selber versucht habe, die Geschehnisse einzuordnen. Geschriebenes habe ich mehrfach überdacht und korrigiert. So dass aus eine Anklageschrift ein konstruktiver Beitrag geworden ist.
Und auch im Gespräch mit vielen Personen und vielen Recherchen versucht habe, Erklärungen für das Verhalten von Menschen zu finden, die andere Menschen offensichtlich in Gefahr bringen. Warum geschieht so etwas?
Mein Wunsch aus dem ersten Blogartikel zum ersten tödlich Unfall im Allgäu ist leider nicht in Erfüllung gegangen.
Zitat:
„Ich würde mich freuen, wenn ich in fünf Jahren den nächsten Beitrag zu diesem Thema schreibe, dass es bis dahin immer noch kein weiteres Todesopfer zu beklagen gibt.
Das wird aber nur gelingen, wenn die vielen Anbieter und Guides so Dinge wie Demut und Respekt leben und vermitteln und Dinge wie Profit und Selbstdarstellung weit dahinter anstellen können.
Mit den besten Hoffnungen für die Zukunft. „
Jonny
18.07.2017 – 5 Jahre nach dem ersten tödlichen Canyoning Unfall im Allgäu
Die aktuelle Situation nach dem tödlichen Unfall in der Starzlachlamm:
Das ein Unglück immer eine Aneinanderreihung von Fehlern ist, wird aus der alpinen Unfallforschung der letzten Jahre sehr deutlich. Materialversagen, unerwartete und plötzliche Wetterereignisse, menschliches Versagen sind häufige Ursachen, wenn man nach tödlichen Unfällen den Weg von Beginn bis zum bitteren Ende nachverfolgt.
In der Regel ist es eine tödliche Kombination aus diesen Ursachen.
Es gibt sogar eine Internetseite mit einer Auflistung von Canyoningunfällen. Diese beginnt momentan 1997 und endet im Jahr 2018. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass zahlreiche Unfallhergänge, beispielsweise in der Kobelach bei Dornbirn gar nicht aufgeführt sind. Unfälle und daraus folgend notwendige Rettungen in Gunzesried und der Starzlachklamm tauchen hier auch nicht auf. Dazu wird beizeiten ein eigener Artikel entstehen, der genau wie dieser einen Zweck verfolgt: Aus Fehlern lernen und diese nicht wiederholen!
Bildergalerie des Grauens:
In diesen Ausschnitten aus den Reaktionen nach dem Unfall sind einige Erklärungen bereits enthalten: Fehlende Aufmerksamkeit und dadurch nicht eingehaltene, vorhandene Regeln, wenn es darum geht NEIN zu sagen.
Alle weiteren Bilder werden im Beitrag noch etwas näher beleuchtet.
Fragen die zum Unglück am 03.09.2022 offen und zu klären sind:
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- Warum gingen die Veranstalter und Guides an einem Tag, der mit so viel Risiko behaftet war, mit Ihren Gästen in die Schlucht?
Eine Antwort müssen und werden die Verantwortlichen geben. Oft folgt einer Phase der Einsicht über mögliches Fehlverhalten dann ein Abwehrverhalten und im weiteren Verlauf auch die Verklärung des Hergangs, bis zur Verdrängung. Eine allzu menschliche Schutzreaktion, die Einzelnen helfen Erlebnisse so zu verarbeiten, dass sie selber damit weiter Leben können.
Veranstaltern von Touren, sogenannten Outdooranbietern darf man aber eine solche Schutzreaktion nicht zugestehen: Es ist Ihre Pflicht Ihr, Angebot und die Durchführung so zu gestalten, dass niemand zu schwerwiegendem Schaden oder zu Tode kommt.Für jeden Außenstehenden, auch für Fachleute, gibt es für die Durchführung der Tour an diesem Tag keine plausible Erklärung.
Den ermüdenden Satz, „Du warst ja nicht vor Ort, Du kannst das nicht beurteilen“ ist immer eine der ersten Reaktionen von Guides und Veranstaltern, die sich um eine konkrete Stellungnahme drücken wollen. Wohl auch aus der Sorge heraus, dass beim ersten Fehler Ihrerseits, das Inferno über Sie hereinbricht. Vor diesem Inferno schützt sie aber auch das laute Schweigen nicht, das die „Guidegemeinschaft“ einhüllt.
Und was sicher nicht passieren darf, ist die „Heroisierung“ der Geschehnisse bei denjenigen, die keinen Toten Gast zu beklagen haben, sondern einfach nur riesiges Glück hatten. Das würde zu einer fatalen Selbsteinschätzung führen und weitere Fehlentscheidungen begünstigen.
Wer selber schon mal Touren geplant hat, sei es eine Skitour, eine Wandertour oder welche Tour auch immer: Die Planung findet zu Hause im Trockenen statt – und zur Planung gehören auch Entscheidungsstrategien wann man eine Tour abbricht oder erst gar nicht antritt. Das sollte bei professionellen Outdoor-Führern zum Grundwissen gehören.
Fehler sind menschlich, sie passieren. Nicht einfach so aber kein Mensch ist davor geschützt.
Wenn Fehler aber aus Unwissenheit oder Ignoranz passieren, dann erweitert sich der Fragenkatalog ganz automatisch:
- Warum gingen die Veranstalter und Guides an einem Tag, der mit so viel Risiko behaftet war, mit Ihren Gästen in die Schlucht?
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- Warum wurden bekannte Risikofaktoren ignoriert?
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- Warum wurden aktuelle Gefahrensituationen Ignoriert?
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- Warum wurden relativ unerfahrene Guides nicht über schon erlebte Gefahren in der selben Schlucht informiert, um die Urteilsfähigkeit damit zu verbessern?
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- Warum wurden solche vielleicht doch gegebenen Informationen ignoriert?
Wieso wurde aus vergangenen Situationen und Erfahrungen nichts gelernt?
Am 02. August 2019 erhielt ich eine Nachricht, dass 4 Menschen und ein Guide in der Starzlachklamm vom Wasser überrascht wurden und nur durch Hilfe der Bergwacht gerettet werden konnten. Nach der Sichtung der dazugehörigen Videoaufnahmen war das Glück, das die Menschen an diesem Tag hatten, kaum zu fassen. Natürlich habe ich darauf hin in den bekannten Facebook Gruppen einen Post abgesetzt und darauf hingewiesen, dass ein Ansteigen des Wassers in der Starzlachklamm, allein durch das EInzugsgebiet bedingt, unheimlich schnell gehen kann. Dabei habe ich eigene Erfahrungen aus einer Tour vor einigen Jahren einfließen lassen.
Kurz darauf ruft der Veranstalter der fast verunglückten Gruppe bei mir an und erzählt wie dramatisch schnell es ging und dass die Guidin eher unerfahren war. Wir sind telefonisch so verblieben, dass es einfach Glück war und das man so etwas in Zukunft vermeiden muss Ich habe ihm auch den Zweck meines Postings erklärt. Es wäre schön, wenn man daraus lernen hätte können.
Dieser Einsatz ist leider nicht in den Archiven der Bergwacht Sonthofen zu finden. Aus welchem Grund auch immer – wichtige Erfahrungen sind so verloren gegangen, die für eine Entscheidungsfindung zu Touren in der Starzlachklamm immens wichtig sind und unbedingt an die jährlich neu ankommenden Guides weiter gegeben werden müssen.
Wie konnte es sein, dass verschiedene Veranstalter am selben Tag in der Schlucht waren und den selben Fehler gemacht haben?
Es ist wichtig zu wissen, dass die Unternehmen, die Touren in der Starzlachklamm durchführen können, sich in einem gemeinsamen Verband organisieren.
Der Verband Allgäuer Outdoorunternehmen sieht sich als Sprachrohr der Outdoorveranstalter im Allgäu und hat es geschafft einen privatrechtlichen Vertrag abzuschließen der nur seinen Mitgliedern Touren in der Klamm erlaubt.
Eine Öffnung zur Tourdurchführung für weitere Veranstalter ist zwar nach einigem Druck erfolgt. Diese haben aber Schwierigkeiten überhaupt Startzeiten für Ihre Touren zu erhalten. Denn die sind bereits unter den alteingesessenen Mitgliedern verteilt, die meiner Ansicht nach mehrheitlich aus finanziellem Interesse einen starken „Zusammenhalt“ entwickelt haben.
Vordergründig ist Qualität und Umweltschutz ein verbindendes Element, das ich nur wenigen Mitgliedern des Vereins zugestehe. Die Kohärente Kraft dieses Verbandes ist, wenn auch für die meisten unterbewusst, das Interesse die Arbeit im Allgäu untereinander aufzuteilen und unliebsame Mitbewerber auf Distanz zu halten.
Außerdem ist es auch die Schaffung eines eigenen „Qualitäts-Siegels“, dass sich die Unternehmen an die Internetseite pinnen können. Über den Fehler dabei habe ich vor meinem Austritt 2015 aus diesem Verein aufmerksam gemacht. Es sind Unternehmer eingetreten, die bis heute ein riesiges Marketing betreiben aber nachweisbar und mehrfach beobachtet nicht wissen was bestimmte Canyoning-Techniken bedeuten und und wie man sie richtig anwendet – so bringen sie Ihre Gäste und sich selbst tagtäglich in Gefahr.
Dem „Zusammenhalt“ in der angesprochenen Gruppe liegen mit Sicherheit viel Faktoren zugrunde, die weit weg von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung sind.
Warum ist dieses Hintergrundwissen wichtig und was hat es mit dem Sterben bei einer Canyoningtour zu tun?
Verschiedene psychologische Phänomene spielen bei einer gemeinsamen Fehlentscheidung eine Rolle und sie führen von der vielleicht beabsichtigten „Schwarmintelligenz“ oder Stärke eines Verbandes zu einem Gruppendenken , das in fatalen Fehlentscheidungen münden kann. Im verlinkten Artikel zu Gruppendenken bei Wikipedia sind im Abschnitt Faktoren, Symptome und Konsequenzen genau die Punkte aufgeführt, die zu einer Fehlentwicklung des Canyoning im Allgäu und auch in anderen Regionen führten und auch immer wieder angesprochen wurden. Auch wie man mit diesen Hinweisen umgegangen ist, Shen Beobachter der Szene hier in einigen Punkten eins zu eins.
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- Fehlen von kritischen Stimmen und das Aushalten und Nachdenken, wenn andere Meinungen geäußert werden.
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- Keine Erstellung von Alternativen oder echten Notfallplänen.
Meine Meinung ist, dass das Fehlen und die Behandlung wirklich gegensätzlicher Positionen in der „Starzlachklamm-Vereinigung“ zu einer Entscheidung geführt hat, die man nicht nur einem oder wenigen Guides zuschreiben kann, sondern die durch das ungesunde Organisations-System des Canyonings im Allgäu bedingt war.
Von den Ausbildungsverbänden in Österreich eigentlich gut uns solide ausgebildete Canyoning-Guides, sollten Ihre Rolle innerhalb eines Unternehmens oder eines Verbands immer kritisch hinterfragen. Das Fachwissen wird nach einer Ausbildung vorausgesetzt.
– Zählt meine Meinung und Einschätzung wirklich so viel wie ich glaube? – Wer sind die Meinungsmacher in meinem Umkreis und ist diese Meinung „gesund“?
Wer sich einen kleinen Überblick über das fatale Gruppendenken verschaffen möchte, kann das in unten stehendem Schaubild und beim Blick auf Wikipedia machen.
Ich bin Überzeugt davon das zahlreiche Fehler in der Entwicklung des Canyonings im Allgäu der letzten Jahre zum tragischen Unfalltod der jungen Frau im September 2022 geführt haben. Dazu gehören ein ungebremstes Gewinnstreben, Selbstüberschätzung und Kritikunfähigkeit.
Und vor allem ist eine Abkopplung von der Realität beobachtbar: Canoyning findet draussen statt und nicht im Internet. Ob Du Dich für die Nummer 1 hältst oder die meisten Videos mit fragwürdigem Inhalt ins Netzt schießt. Es entbindet niemanden von der Pflicht fachlich und technisch auf dem Stand zu bleiben und Erfahrungen und Meinungen zuzulassen, die am eigenen Weltbild rütteln, die jeden aber zu einem besseren Guide machen würden.
Du findest diese These sehr steil oder zu hart?
Dann versuche nur folgende Fragen zu beantworten:
Warum hat man sich in der Zeit vor dem Unglück hauptsächlich mit der Frage beschäftigt zu welchen Zeiten wie viele Personen zu welchen Kosten (Einheitspreis?) durch die Klamm geführt werden können?
„Besucherlenkung“ und Umweltschutz hat man sich hier auf die Fahnen geschrieben.
Wieso wurden solche Fragen vernachlässigt:
Wie komme ich mit meinen „Besuchern“ also Tourengästen im Notfall am besten alleine und schnell aus der Schlucht? Oder in welche Abschnitte steige ich erst gar nicht ein, wenn es kritisch ist?
Diese Fragen wurde nicht so behandelt, dass es den Guides im Allgäu öffentlich bekannt ist und so an diesem Tag ein Unglück hätte verhindern können.
Und daher kannst Du als Leser diese Fragen natürlich nicht beantworten.
Falsche Vorstellung der eigenen Verantwortlichkeit und Verwundbarkeit – führt zum Unglück
Die oben bereits angeführte Heroisierung der eigenen Arbeit ist seit Beginn meiner Canyoning-Tätigkeit immer wieder zu beobachten – anfangs auch bei mir selber. Doch irgendwann sollte bei jedem Guide der Punkt kommen, der ihm die Verantwortung seinen Tuns in der Schlucht VOLL bewusst macht.
Und wenn nach einem Beinahe-Unfall aus dem Denken: „Ich bin ein toller Hecht, das habe ich ja wider gut hingekriegt.“ der Gedanke wird: “ Verdammt, das ist ja nochmals gut gegangen, was hab ich nicht beachtet und wie kann ich das in Zukunft vermeiden?“
Erst dann geht jeder Guide und jedes Unternehmen einen gesunden Weg bei der zukünftigen Entwicklung der Canyoning Arbeit.
Selbstverständliche Sätze denkst Du Dir als Leser? Leider Nein, denn Papier ist sehr geduldig und das geschriebene Wort auf Internetseiten oft keinen Cent wert:
Es gilt zu definieren, was ist ein NEIN und was ist das Sicherheitsdenken?
An Möglichkeiten zu Fortbildungen hat es nicht gemangelt und auch an einem insgesamt vorhandenen Fachwissen im Verein – was führte also zu dem Unglück, bei dem eine junge Frau Ihr Leben verloren hat?
Wenn man die oben beschriebenen Punkte mitnimmt, wird man sich zwar theoretisch vieles Erklären können. Es erschließt sich aber weder mir als Autor noch den meisten Lesern, wie es zu einer solchen Aussagen, wie im folgenden, kommen kann: „Ich hoffe Ihr könnt gut schwimmen…“
Wie soll man das bitte verstehen?
- Wollte hier jemand einen lockeren Spruch loslassen um die Gruppe aufzuheitern?
- Oder war es das Pfeifen im Walde und für jeden Guide ein gutes Signal, dass er gerade ans Limit kommt, wenn er es selber überhaupt noch bemerken kann und keinen guten Kollegen als korrektiv an seiner Seite hat?
- Das Wissen um Wasserstand und Regen war da – warum wurden die falschen Schlüsse gezogen? (s. Gruppendenken)
Natürlich habe ich eine eigene Meinung und Antworten auf diese Fragen. Diese stehen größtenteils bereits im Text. Das Endurteil soll im Prozess erfolgen, wenn es nicht irgendwie durch vergleichende Zahlungen gelöst wird.
Was aber leider eine absolute Tatsache ist:
Nichts was hier geschrieben und geantwortet werden kann, wird die junge Frau wieder ins Leben zurück holen.
Wenn aber darüber nachgedacht wird, können zukünftige Unglücke vermieden werden, indem man Entscheidungsstrategien hinterfragt und weiter entwickelt.
Und das geht nur gemeinsam mit verschiedenen und gegensätzlichen Meinungen mit gleichem Gewicht.
Freud und Leid sind Begleiter in der Natur
In den letzten 20 Jahren als Guide sind mir viele Erlebnisse untergekommen, nicht nur im Allgäu. Leider auch zu viele Unfälle und einige Todesfälle.
In viele Fällen zeigt das, dass die vielen vorab erstellten Dokumente mit Verhaltensregeln, die mir von fast allen Verbänden bekannt sind, oft nur ein Feigenblatt für den tatsächlichen Ablauf im täglichen Geschäft so mancher Unternehmer – insbesondere im Allgäu – sind. Sie werden schlichtweg nicht umgesetzt.
Dieser Beitrag lässt vielleicht die Vermutung aufkommen, das im ganzen Canyoning-Bereich unhaltbare Zustände herrschen. Das ist nicht der Fall. In allen Österreichischen Bundesländern, in der Schweiz und Italien usw… gibt es auf Landesebene strukturierte Verbände, die sich um eine Qualität und Sicherheit beim Canyoning kümmern. Auch aus den Erfahrungen vorausgegangener Unglücke wurden die richtigen Schlüsse gezogen. Die ganz große Mehrzahl der Canyoning Guide KollegInnen weltweit sind tolle und verantwortungsbewusste Leute.
Deutschland hat hier einen klaren Nachholbedarf, wenn es darum geht den vielen geschriebenen Worten die notwendigen und konsequenten Taten folgen zu lassen. Nur dann können sich auch die „guten“ Verbansdmitglieder so einbringen, dass es nicht zu fatalen Fehlentscheidungen kommt. Und die anderen können daraus lernen oder wie ich es bereits vorgeschlagen habe: einen Job suchen, bei dem sie nicht so viel zerstören können.
Zudem wäre es gut wenn Veranstalter in Ihren Haus- und Hofschluchten für Sicherheit sorgen können, bevor sie in viel komplexeren Schluchtensystemen alle möglichen Veranstaltungen und Camps anbieten.
Rückmeldungen zu diesem Beitrag – Kodex:
Über eine offene und anständige Diskussion, die dem Canyoning im Allgäu sicher weiter helfen wird, freue ich mich.
Artikel und Emails mit den Inhalten:
„Du hältst Dich wohl für was besseres? Du hältst Dich für unfehlbar…! Das sind alles nur Lügen…! Du wirfst mit Schmutz um Dich… weil…“ … und Dinge in der Art
kann ich vorab schon mit einem klaren NEIN beantworten.
Gern befasse ich mich ausführlich mit jeder Einsendung die mich nicht als Person angreift. Gegensätzliche Positionen sind in Ordnung und es geht hier nicht um absolute Zustimmung oder das gepachtete Recht. Es geht aber darum, das bestimmte Dinge nicht verhandelbar sind wenn man sich beruflich im Bereich Canyoning bewegt.
Hier muss nicht nur ein Konsens, sondern eine Haltung gefunden werden, die gelebt werden kann.
Die letzten Worte dazu - in aller Deutlichkeit:
Sollte es im Artikel untergegangen sein, weil meine Wut und mein Zorn vielleicht nicht die richtigen Worte zugelassen haben:
Beim Canyoning muss niemand sterben!
Und wer von Restrisiko spricht sollte sich mal überlegen wie groß der Rest des Risikos sein darf?
Nicht mehr als ein kleiner Rest, der nach einer vollständigen Risikoreduktion im Vorfeld noch vorhanden ist.
Meine Gedanken sind immer wieder bei den beiden im Allgäu verunglückten Frauen und Ihren Angehörigen. Besonders bei dem kleinen Kind, das seit 2012 ohne seine Mutter aufwachsen musste.
Ich hoffe sehr, dass aktuelle und zukünftige Guide -Generationen aus diesen und anderen Fehlern lernen können. Nur dann sind diese Menschen nicht vollkommen umsonst gestorben.
Oberallgäu, im Mai 2023